Autor Thema: Late Onset AGS?  (Gelesen 12969 mal)

September 08, 2016, 06:38:35 Nachmittag
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Cellardoor

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Hallo ihr Lieben,

ich bin neu in diesem Forum und habe derzeit ziemlich viele Fragen im Kopf.
Vor einigen Monaten war ich bei meiner Gynäkologin, weil meine Menstruation ausblieb. Diese veranlasste einen Hormonstatus. Ergebnis war: Erhöhung des DHEAS und fünffache Erhöhung des Progesterons.
Sie schickte mich dann mit Verdacht auf Late Onset AGS zum Endokrinologen.
Ein paar Monate später saß ich dann in der Uniklinik Köln. Dort wurden viele Blutwerte kontrolliert und ein ACTH Test gemacht (ich stelle alle relevanten auffälligen Werte unten rein).
Im Bericht steht jetzt wieder Verdacht auf Late Onset AGS und "überschießende Freisetzung von 17 Hydroxypregnenolon nach ACTH begründet; V.a. 3 ß Hydroxylase Defizit"
Ein Gentest wird angeraten.

Meine Fragen jetzt:
Kann man die Diagnose aufgrund des ACTH Tests bereits sichern oder muss zwingend noch ein Gentest gemacht werden?
Wie genau sieht die Behandlung dessen aus bzw. hat diese viele Nebenwirkungen? Ich habe Bedenken wegen des Kortisons. Ich habe eine Insulinresistenz und Hashimoto und bedingt durch dieses ganze Hormonchaos in kurzer Zeit ziemlich viel zugenommen.


Ich hoffe ihr könnt mit den Werten etwas anfangen. Würde mich freuen, wenn jemand mal drüber schauen könnte.


Blutbild:

SHBG (S): 2.2 mg/l (9.3-36.9)
Testosteron-SHBG Quotient: 7.19 (0.38-5,91)
DHEA-S (S): 4,89 mg/l  (0.99-3.40)
Androstendion (S): 3,48 ug/l  (0.44-2,9)


ACTH

0 Min.

17-Hydroxyprogesteron 405   (fol. Phase:20-100, lut. Phase 100-200)

17-Hydroxypregnenolon 333   (30-350)
Androstendion 0 Min.    192   (90-270)

Dehydroepiandrosteron  583  (300-850)


60 Min.

17-Hydroxyprogesteron   507

17 Hydroxypregnenolon 1559

Androstendion     394

Dehydroepiandrosteron    1998


               

September 09, 2016, 07:52:11 Vormittag
Antwort #1

Jenjen84

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Guten Morgen Cellardoor!

Ich versuche dir mal, in meinen Leienworten und mit dem AGS-Bild im Anhang den Unterschied zu erklären.

Der ACTH-Test hat ans Licht gebracht, dass deine Hormonvorstufen erhöht sind. Das kann daran liegen, dass
1. Deine Nebennieren sind überlastet sind und mit der weiteren Verstoffwechslung deiner Hormonvorstufen bis hin zum Endprodukt Cortisol nicht hinterher kommen.
2. Du einen Gendefekt hast, nämlich einen Hydroxylase-Defekt, wie im Bild im Anhang erklärt.

Ein Gentest würde genauer klären, ob bei dir Variante 1 oder 2 zutrifft. Gentest bedeutet, die wird einfach ein Röhrchen Blut abgenommen, das dann an ein humangenetisches Labor geschickt wird. Vorher musst du unterschreiben, dass du mit einer genetischen Untersuchung einverstanden bist. Also recht unspektakulär.

Die Behandlung der beiden genannten Varianten ist recht ähnlich. Bei beiden wäre der schulmedizinische Ansatz Cortison-Substitution. Der Unterschied wäre nur, dass sich deiner Nebennieren bei Variante 1 von ihrer Schwäche wieder erholen könnten, während ein Gendefekt irreparabel ist.

Probleme mit der Schilddrüse bei zu grundeliegenden Problemen mit den Nebennieren sind gar nicht so untypisch, da sich die hormonbildenen Organe im Körper einer Frau (Schilddrüse, Nebennieren, Hypophyse) gegenseitig beeinflussen können. Man nennt das im Medizin-Deutsch Hormonachse.
Auch eine Insulinresistenz ist nicht untypisch bei Problemen mit den Nebennieren, da die Nebennieren großen Anteil am Zuckerstoffwechsel im Körper haben.

Zu den Nebenwirkungen von Cortison kann ich so leider nichts sagen, da ich an dem Punkt selber noch nicht bin.

Wenn ich du wäre, würde ich den Gentest veranlassen und dann weitersehen.
In der Zwischenzeit würde ich meine Ernährung umstellen, hin zu glutenfrei, kuhmilchfrei und zuckerfrei. Das würde deiner Schilddrüse und somit sicher deinen Nebennieren gut tun, denn Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto "ernähren" sich quasi von Gluten, Kuhmilchprodukten und Zucker. Und gerade bei einer gleichzeitigen Insulinresistenz, also der Vorstufe von Diabetis, könnte der Verzicht entscheidene Besserung herbeiführen. Ich habe damit sehr gute Erfahrungen gemacht, was mein Wohlbefinden angeht und nebenbei hab ich damit im letzten dreiviertel Jahr auch 13 Kilo abgenommen.

Ich hoffe, ich konnte dir mit meiner Antwort ein bisschen weiterhelfen.
Wenn du weitere Fragen hast, immer her damit :-)

Liebe Grüße, Jenny
« Letzte Änderung: September 09, 2016, 07:54:05 Vormittag von Jenjen84 »

September 09, 2016, 03:36:18 Nachmittag
Antwort #2

Cellardoor

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Hallo Jenjen84,

vielen lieben Dank für die ausführliche und leicht verständliche Antwort.
Kennst du zufällig einen guten Arzt bzw. Genetiker aus dem Raum NRW, der diesen Gentest macht?

Eine Frage habe ich noch. Diese hat allerdings nur teilweise mit dem Thema late onset AGS zu tun.
Ich mache mir jetzt etwas (panische) Gedanken, weil ich gelesen habe das unter den erhöhten Hormonwerten auch ein endokriner bzw. Hormonproduzierender Tumor (wie das Nebennierenrindenkarzinom) dahinter stecken kann.
Schließt der ACTH Test diesen bereits aus oder sollte man das zusätzlich nochmal abklären?
Ich habe etwas Sorge, weil das Ganze sehr plötzlich kam. 2014 war mein Hormonstatus vollkommen unauffällig und ein Jahr später ist da so ein Durcheinander. Auch bin ich schon längst raus aus der Pubertät (ich bin 26 Jahre alt).
Vielleicht weißt du ja was zu dem Thema, es macht mich derzeit ziemlich unruhig und ich habe große Angst, das sowas dahinter stecken könnte.

Eine komplette Ernährungsumstellung habe ich auch schon seit April hinter mir. Leider will das Gewicht nicht richtig runter, aber ich nehme derzeit wenigstens nicht mehr zu und fühle mich etwas fitter.

Lieben Gruß,

Sabrina




September 10, 2016, 09:27:45 Nachmittag
Antwort #3

Jenjen84

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Hey Sabrina!

Ich glaube mal gelesen zu haben, dass ein Tumor auf den ACTH-Test nicht ansprechen würde. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

Ich hab bestätigtes Late Onset AGS und ich hab mir das erste mal "boa, mit mir stimmt ernsthaft was nicht" vor vielleicht 3 Jahren (also mit Ende 20) gedacht. Ich habe von der Zeit davor keine Bluttests, aber ich könnte mir schon vorstellen, dass meine Werte da normal gewesen wären.

Wie fühlst du dich denn so allgemein?

Grüße, Jenny

September 12, 2016, 05:27:11 Nachmittag
Antwort #4

Cellardoor

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Hallo Jenny,

das Gefühl blieb bei mir im Grunde aus.
Ich hatte nur einmal einen "Ausrutscher" meiner Periode (blieb für ca. drei Monate aus) und das war dann Grund, dass meine Gynäkologin nochmal nach sehen wollte.
Tja, und dann hatten sich meine Hormonwerte komplett verändert. Zyklusmäßig habe ich keine Beschwerden, Periode kommt regelmäßig. Auch sonst keinen Haarausfall etc.
Das einzige was dazu kommt ist Hashimoto, eine Insulinresistenz und ein schwerer Vitamin D Mangel (Wert lag bei 7.9), den ich aber in den nächsten Tagen substituiere.

Gut fühle ich mich derzeit nicht wirklich. Ich bin oft müde, habe Kopfschmerzen etc. Mein Allgemeinbefinden war schon mal erheblich besser, ist aber wohl durch den Vitamin D Mangel erklärbar.

September 13, 2016, 06:57:18 Vormittag
Antwort #5

Jenjen84

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Guten Morgen Sabrina!

Meine Periode kommt auch regelmäßig und ist noch nie ausgeblieben. Die AGS-Initiative hat eine (meine Meinung nach) ziemlich gute und hilfreiche Broschüre zum Thema Late Onset AGS zusammen gestellt, die man sich anfordern kann. Da steht zum Beispiel drin, dass die meisten Late Onset AGSler eine regelmäßige Periode haben und sich der Gendefekt gar nicht oder eben anders äußert.
(Das einzige, was mich an der Broschüre stört, sind die fehlenden Quellenangaben. Aber sowas stört einen vielleicht auch nur, wenn man selber ausm wissenschaftlichen Bereich kommt :D )

Auch die Müdigkeit und die Kopfschmerzen, die du beschreibst, kenne ich von mir. Wie ich mittlerweile weiß, kommt meine Müdigkeit vom Cortisol-Mangel und die Kopfschmerzen gingen bei mir nach der Ernährungsumstellung mit der Insulinresistenz zurück.

Aber du hast vollkommen recht, das können beides auch Anzeichen eines VitaminD-Mangels sein. Falls du zu VitD (Bezugsquellen, Ko-Faktoren, usw.) und sonstigen Vitaminen noch Infos brauchst, kann ich dir die Facebook-Gruppe "Vitamin D - die alternative Gruppe" empfehlen. Die haben mir sehr geholfen. Mein Defekt kann so zwar nicht behoben werden, aber ich fühle mich deutlich besser und ich konnte meinen Körper so wieder etwas in Einklang bringen.

Hast du denn schon einen Termin für den Gentest?
Wenn du einen Partner hast, würde ich dir raten, den auch gleich miteinzubeziehen. Der muss im Falle eines positiven Testergebnisses bei dir und einem späteren Kinderwunsch wegen Vererbung nämlich eh zur Partnerdiagnose.

Liebe Grüße, und lass die Ohren nicht hängen. Du tust etwas für dich und dein Körper wird es dir danken, egal wie das Testergebnis ausfällt.

Jenny

September 13, 2016, 05:08:10 Nachmittag
Antwort #6

Jenjen84

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Hallo Aletheia!

Da muss ich dir widersprechen.

Das fehlerhafte Gen bei AGS wird autosomal rezessiv vererbt.
Ich habe Late Onset AGS, was bedeutet, dass ich das defekte Gen heterozygot trage.
Trägt es mein Partner ebenfalls heterozygot, auch wenn es bei ihm nicht "ausgebrochen" ist, dann besteht ein 25%-iges Risiko, dass unser Kind klassisches AGS, also den Gendefekt homozygot, hat.

Grüße, Jenny
« Letzte Änderung: September 13, 2016, 05:17:56 Nachmittag von Jenjen84 »

September 13, 2016, 05:17:32 Nachmittag
Antwort #7

Jenjen84

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Leider etwas schlecht abfotografiert, aber ich denke, man kanns lesen.

Quelle: Broschüre Late Onset AGS der AGS-Initiative

Oktober 26, 2016, 01:33:47 Nachmittag
Antwort #8

Jenjen84

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Hallo Sabrina!

Hast du den Gentest mittlerweile gemacht?
Wenn ja, was kam denn raus?

Grüße, Jenny

November 13, 2016, 01:00:12 Vormittag
Antwort #9

Cellardoor

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Hallo Jenny,

der Gentest folgt noch. Ich habe übernächste Woche einen Termin in der UK Bonn. Melde mich dann nochmal.
Apropos Bonn: Gibt es hier zufällig Erfahrungswerte was die Endokrinologie in der Uniklinik Bonn betrifft?

LG!

November 13, 2016, 02:54:41 Nachmittag
Antwort #10

asie

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Hallo Sabrina,

warum bleibst Du nicht in der Uni Köln? Die haben doch bereits angefangen mit den Untersuchungen. Den Gentest kannste auch dort machen.

Prof. Krone und sein OA Dr. Faust sind Spitze bei AGS und den entsprechenden Einstellungen, egal ob Medis, Ernährung, usw.
Vor allem die Kombinations-Erkrankungen wie AGS plus z.B. Schilddrüse und/oder Intoleranzen werden dort genau beobachtet. Natürlich findet auch Lehre und Forschung statt (= macht ein bis zwei extra Blutröhrchen, falls einverstanden -> sehr unspektakulär!)

Ich bin ein großer Freund davon, dass Labore inkl. Zusatzuntersuchungen in "einer" Hand bleiben.
Frei nach dem Motto:"viele Köche verderben den Brei!".
Dann wäre dort eine, nämlich Deine Akte. Du bekommst eine Telefon- und Faxnummer von Deinem Behandler, an die sich die aktuell behandelnden Ärzte wenden können, wenn die Cortisone/andere Hormone kurzfristig geändert werden müssen, z.B. eine geplante OP, Stress oder ähnliches.

In meinem 45 Jahren bin ich damit super gefahren. Die meisten anderen Ärzte wie Gynäkologen sind für mich eher so zu verstehen: "anatomisch" alles gut - also klassische Vorsorge. Sobald die Hormone mit rein kommen, sind Endokrinologen einfach die bessere Wahl. Die können - mit dem Patienten zusammen - auch besser an den "Hormonschrauben" drehen, wenn es einem nicht gut geht - und zwar egal warum oder welche Beschwerden da sind.

Viele Grüße, Anne






Januar 02, 2017, 09:22:53 Vormittag
Antwort #11

Jenjen84

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Hallo Cellardoor!

Wie ging es weiter bei dir?
Was kam raus bei deinem Gentest?

Liebe Grüße, Jenny